Berichte + Fotos

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Anfang 99: Erkundungsfahrten in Mali, Mauretanien und Algerien

Saharabegeisterte hatten sich 1998 unter dem Projektnamen "Reisegruppe Adrar" zusammengefunden, um zusammen kostengünstiger unbekannte Gegenden zu erkunden und einige Projekte durchzuführen. Unter den saharaerfahrenen Teilnehmern waren u. a. dabei Sepp (Navigation), Gerhard (Unimog-Technik), Margret (Verpflegung, Logistik). Besondere Projekte der Reise: Aufbereitung von salzigem Brunnenwasser sowie Suche nach älteren Gebrauchsgegenständen aus Metall mittels Metallsuchgerät.

Wir waren anfangs 99 unterwegs mit 2 Unimog 416, die pro Fzg. 500 L Wasser und 1000 L Diesel aufnehmen konnten. An- und Rückfahrt über die bekannte Atlantik-Route (Dakhla-Nouadhibou).

Erstes Ziel war eine neue Süd-Nord-Durchquerung des Aouker mit der Überwindung der Falaise von Tichit. Schon das letzte, grasbüschelgespickte und zähe Weichsandstück vor Aoudaghost war ein Vorbote des kommenden Kampfes. Aoudaghost: "Verlorenes" Dorf. Lohnende, jüngere Felsmalereien am Hang im Chaos von herabgestürzten Felsquadern, schwierig allein zu finden. Der Besuch der Ausgrabung des alten A. mit der "römischen Säule" ist sehr interessant, leider wird nichts mehr getan und die wuchernde Calotropis p. wird die freigelegten Mauern irgendwann zum Einsturz bringen, da hätte man sich die Ausgrabung besser aufgespart. Für Besuch von A. angeblich Genehmigung des Innenministeriums erforderlich.

Nach Norden keine Spuren mehr, dafür tiefer, dieselfressender Sand. Jetzt gibt's Adrenalin pur. Die Dünen des Aoukers werden mit jedem Meter mächtiger und drohender. Wir wissen nicht, ob hier schon je ein Fzg. durchkam und so rechnen wir damit, im nächsten Moment vor einem unüberwindlichen Hindernis zu stehen. Hellwach wird das Gelände rundum abgetastet, jedes geschaffte Stück vergrößert die Hoffnung das Ziel zu erreichen. Die bis über 100 m hohen fossilen Dünenzüge drängen uns zu weit nach Westen. Um zu korrigieren, gehen wir beim Überklettern ein hohes Risiko ein. Ein Meer von 2 m hohen Grasbüscheln zwingt die Unimogs zu bedenklichen Schräglagen am Hang. Atemberaubend der Blick vom Dünendach in die Täler. Dort suchen wir nach neolith. Werkzeugen aus der Zeit, als hier vor 2000 Jahren noch ein riesiges Gewässer bestand. Außer rezenten Tonscherben Fehlanzeige. Nach Tagen ist endlich der Baten, die Tiefebene vor der Falaise in Sicht, befahrbar oder ....? Nach O weiter wie auf der Autobahn, die steilaufragende Falaise, wo wir oft oben standen, verwehrt jedes Hochkommen.

Wir hatten die Strecke zeitmäßig völlig unterschätzt und brauchen Wasser. Die Fahrt zum Brunnen Sopti erbringt Blicke in trockene Löcher. Jetzt wird wild gerechnet. Was ist noch drin, wann umkehren?

Eine kleine Karawane passiert und unsere bange Frage: "El ma?" "Hok, hok!" Sie deuten nach vorne.

Aschar, ein Brunnen den keine Karte verzeichnet (18° 18'/10° 31'). Ohne dieses Wasser hätten wir aus Sicherheitsgründen umkehren müssen. Die Nomaden staunen über den Strahl kristallklaren Wassers aus dem großen Katadyn-Filter.

Nächster Morgen: Nach einigen Km schließen sich die Dünen und drängen uns an die Falaise. In einem unwirklich schönen Tal wachsen Felswand und Dünenhang beständig in die Höhe. Als der Sand etwa 150 m Höhe erreicht, wirft er sich gegen den Berg. Die gewaltige Szenerie macht uns sprachlos wohlwissend, daß die Reise zu Ende ist. Also Umkehr. Es ist vormittags 11 Uhr.

Gerhard kommt plötzlich die Idee nachzusehen, was die Karawane macht. Wir lassen in Eile Einige absichtlich in den Dünen zurück und fahren zurück in die Ebene. Ruhig marschiert die Reihe der Kamele auf eine Stelle weiter südlich in den Sandmassen zu. Was wollen die dort? Wir hasten hin. Verständigungsprobleme. Die Karawane steigt in die Dünen auf. Gerhard hetzt zu Fuß hinterher. Nach 2 h, am Ende seiner Kraft kommt er zurück: "2 Km mit 12 irren Steilstücken, dann haben wir in etwa die Höhe der Falaise". Eine Abstimmung ergibt, wir folgen der Karawane. Bei ca. 35°C ein Wettlauf mit unseren Kräften und dem Wind, der die Kamelspuren zu schlucken droht. Wir legen einige Sandblech-Straßen. 5 min. Pause. Weiter. Gesichter, die zeigen, daß sie an der Grenze sind. 17 Uhr. Unglaublich, wir stehen oben. Nicht wegen unserer Navigationskünste, sondern weil der Zufall uns die kleine Karawane bescherte. Noch 3 Km bis zur hier nur 30 m hohen Falaise. Lager. Nachts in den Felswänden unheimlich sich verstärkende, gellende Rufe eines Greifvogels.

Eine Lücke in der Falaise und bald treffen wir auf die reguläre Piste nach Tichit. Etwas später Fußmarsch zur Abbruchkante der Falaise. Im Dunst der Ebene tief unten vom Dünenozean einschlossen ein Wäldchen von 50 Palmen mit dem Brunnen Ganeb. Ein Ziel für später?

In Tichit startet unser Projekt der neuen Route Tichit-Ouadane. Einmal bereits konnten wir diese Strecke meistern und der Polizeiobere in Tidjikja meinte hernach, es wäre die erste Durchquerung per Fahrzeug gewesen. Im Mittelteil erwartet den Wüstenfahrer eine Dünenformation, die wir "Wand der Verzweiflung" tauften. Hier gab es beim letzten Mal eine Meuterei, weil sich nach tagelanger Schufterei ein Mehrheit für eine Umkehr nach Ouadane aussprach (damals von N kommend). Nur der legendäre 5-Km Dünen-Fußmarsch von Frank und Gerhard ergab letztendlich den Durchbruch. Da die Verbindung Tichit-Ouadane reisestrategisch Sinn macht, sollte diesmal die Routenführung verbessert werden.

Diesmal wollten wir die "Wand der Verzweiflung" von Süden her erkunden. Die Überwindung der Falaise bietet östlich von Tichit nur wenig Probleme, ca. 50 Km nördl. der Falaise endet das Nomadengebiet mangels Wasserstellen. Die sehr persönlichen Kontakte zu den abgeschieden lebenden Leuten verlangen Behutsamkeit und entschädigen durch eine authentische Ursprünglichkeit, wie sie in Orten wie Tichit schon verlorenging. 200 Km nördlich der Falaise tauchten die mit sehr viel Respekt erwarteten Dünenzüge auf. Diesmal hatten wir Satellitenaufnahmen und selbst Monods handgezeichnete Croquis der Majaabat al Koubra dabei. Vor banger Erwartung stand uns förmlich der Angstschweiß auf der Stirne. Und wie immer kommt's dann ganz anders. Diesmal wählten wir statt der Direttissima einen nordöstlichen Bogen und - trotz einiger beachtlicher Dünenkamm-Passagen - lief die Unternehmung diesmal ohne Meuterei und besondere "Prüfungen" ab. Die letzten 200 Km auf den Krater Guelb Richat zu waren allerdings mit Verlaub säuisch. "Unplanmäßige" Regenfälle der letzten Jahre hatten Monster-Drinngrasbüschel in engstem Abstand wachsen lassen, als Folge sank die gutmachende Geschwindigkeit zum Ziel auf unter 5 Km/h und das bei ständiger Berg- und Talfahrt und grausamem Quälen der Fzg. Die Fahrtroute ähnelte eher an die Fieberkurve eines Malariakranken. Die Gegend ist menschenleer, und das scheinbar schon seit einigen tausend Jahren wie der Mangel neolithischer Spuren anzeigt. Der Regen versickert "bodenlos", es kommt hier zu keiner Bildung von Lehm, Gips, Kalk, Silikat oder anderen wasserspeichernden Böden.

Regenfälle 8/98, die den Oasengarten von Ouadane verwüsteten und Rettungsaktionen per Hubschrauber erforderlich machten, führten westl. vom Haus des M. Fadel zu einer (temp.) Seebildung.

Die Strecke Tichit-Oualata ist wegen absoluter Einsamkeit und tückischer Dünenstrecken gefährlich, nach regenreichen Jahren sollte sie ganz gemieden werden! Die Linie nördlich Aratane ist als Vergleich zumindest von Dünen her übersichtlicher, weniger Gewirr, mehr deutliche Längszüge mit breiten, flacheren Tälern dazwischen.

Erkundung des Erg Chech und Suche nach Tni Haia

Ziel war hier die Suche von fahrbaren Verbindungen einer von Norden (von Adrar, Algerien über Bir Ould Brini nach Tni Haia) kommenden Fahrmöglichkeit weiter Richtung Süden bzw. Westen. Die Michelin-Karte gibt hier wohl eher die Patrouillen-Strecke berittener Meharisten aus den 20-er Jahren wieder. Da wir von Hombori (Mali) aus starteten, gab es viele Überlegungen, wie die Wasser- und Dieselversorgung zu sichern sei. Deshalb wurde eine Osmose-Entsalzungsanlage für 4000 DM angeschafft, mit der in 4 min. per Handpumpe aus Salzwasser die Menge einer Cola-Dose Trinkwasser gewonnen werden kann. Bekannterweise sind die Brunnen des Erg Chech oft hoch versalzt.

Fahrtechnisch stellte uns die Stecke über Gourma Rharous (Treibstoff-Verkauf, Fähre 15 to) nach Norden wenig Probleme. Lästig eher der Duft der überall im Fzg. herumstehenden Extra-Dieselkanister.

Nördlich der Wasserstelle In Dagouber beginnt "unser" Gebiet. Als einziges überqueren wir eigene, 6 Jahre alte Spuren. Die angebl. Gravuren des Brunnen finden wir 50 Km weiter westlich. Südlich der Feroua-Dünen der von uns entdeckte, extremste Pilzfelsen der Welt, ein 5-to-Koloß auf einem dürren Stiel von einigen cm Durchmesser. Die sonst so gefürchteten Feroua-Dünen bewältigen wir diesmal dank guter Sicht in einem halben Tag. Dann wieder absolutes Neuland. Mit den Russenkarten vom Därr, Satellitenfotos und einem erneuten Adrenalin-Stoß geht es Richtung Norden nach Tni Haia (Algerien). Es folgt eine kaum zu beschreibende Pionierfahrt wie auf einem fremden Planeten. Unheimliche, matt grünlich schimmernde, bizarre Formationen erhalten Namen wie Luzifers Castle. Dünenzüge ohne Ende schlängeln sich durch die für diese Gegend offenbar typischen, kilometergroßen Löcher mit steilen Abbrüchen und Böden, die von Natron- und Gipskristallen überpudert sind. Aus einer dieser tödlichen Fallen kommen wir nur noch mit größter Mühe wieder heraus. Die gesuchte Verbindung Tayert al Khala - Gebiet Tni Haia ist aber schließlich gefunden. Bei der Suche nach dem Tni Haia-Brunnen zu Fuß verlieren wir unsere Rosi, erklimmen eine Düne und sehen sie in der Ferne auf einem verwitterten Felsplateau davonmaschieren. Die Kartenmarkierung des Tni Haia-Brunnens ist unrichtig, wir müssen das Gelände mühselig durchkämmen. Ergebnislos.

Am Tag darauf wühlen wir uns von Westen her zum vermuteten Ort von Tni Haia durch, dessen Wasser so gut war, daß selbst die Kamele der Meharisten es angeblich ausspuckten. Schließlich, am Ende von Kraft und Motivation, geben wir die Brunnensuche auf. Wasser und Diesel sind schon wieder im gelben Bereich. Ein Durchbruch nach Westen mißlingt, weil wir den mittelstarken Dünenzug westl. Tni Haia nicht knacken können, der den Weg über Tayert el Djeraf freigemacht hätte. So müssen wir auf unserer immerhin neu gefundenen N-S-Passage wieder zurück, erst bei Tayert el Khala geht es nach Westen Richtung Terhazza.

Später, im Tal von Agaraktem (Mauretanien), soll das Entsalzungsgerät dringend benötigtes Wasser liefern. 96 hatten wir dort einen Brunnen gegraben, der mäßig salziges Wasser lieferte. Jetzt wollen wir Diesel sparen und wählen eine Stelle gleich am Anfang des langgezogenen Tales aus. Ein Fehler. Nach 4 h und jeder Menge Schwielen auf den Handflächen stoßen wir in 2,5 m Tiefe auf das ersehnte Naß. Doch bald darauf eine makabre Entdeckung, auf der benetzten Hand bildet sich nach einigen Sekunden ein weißkristalliner Überzug, wir haben eine vollkonzentrierte Salzlake entdeckt, die man höchstens für die Bekämpfung von Hauterkrankungen einsetzen möchte. Trotzdem setzen wir das Entsalzungsgerät in Betrieb. Doch auch 70 atü Druck reichen nicht aus, die Lake durch die Osmose-Membrane zu pressen, der Pumphebel blockiert.

Besprechung. Hier an der früheren Stelle graben oder weiter nach Mjebir, eine auf der Karte verzeichnete Wasserstelle, wo jedoch noch niemand von uns war? Es geht weiter. Von einer 80 m hohen Dünenwand blicken wir auf Mjebir herab, eine grellweiß reflektierende Salzschicht markiert die weiche Tuff-Fläche der Sebkha. Wo sollen wir hier Wasser finden? Etwas Ärger über die Nomaden keimt auf, die ihre Wasserstellen oft so gut verstecken, daß der Unkundige im Ernstfall dem Dursttod preisgegeben wäre!

Wir suchen Stunde um Stunde. Wo sollen wir denn aber auch suchen? Da ist ein halbrunder Mauerrest. Ehemaliger Brunnen? Oder nur Windschutz? Ein kleines Wadi mündet in die Sebkha. Vielleicht findet man dort noch Süßwasser, in der Sebkha wohl nur noch Lake? Bevor wir uns zum Graben entschließen, entdeckt Sepp die sorgsam abgedeckten 5 Brunnenlöcher. Das Entsalzungsgerät ist nun pausenlos unter Beschlag. Erst die persönlichen Kanister, dann das Allgemeinwasser. Die unzähligen Reibeschalen-Ansammlungen der Region, oft 10 Stück an einer Stelle, zeugen von höherer, früher Population. Regelrechte Pfeilspitzen-Fabriken wechseln ab mit Fundstellen ausschließlicher Keramik.

Auf der Weiterfahrt kämpfen wir wieder mit Problem drohender Dieselknappheit. Frühere Verbrauchswerte bekannter Strecken stimmen nicht mehr, weil inmitten jahrzehntelang sehr pflanzenarmen Dünengegenden Grasbüschel-Wälder den sorgfältig vorberechneten Verbrauch um 1/3 steigern. Anf. 99 haben wir in der gesamten Innersahara vorher nicht bekannte Niederschlagsmengen vorgefunden (Überall feuchter Sand ab 10 cm Tiefe).

Ouadane erreichen wir auf unserer Reise zum 2. Mal. Nun, zu Beginn der Heimreise, erlauben wir uns einen kleinen Schlenker durch den Krater nach El Beyedh. Früher galt Ouadane für uns als eines der definitiven Ende unserer Welt. Das Ende hat sich nun etwas vorgeschoben nach Osten. Im Herzen des Kraters Guelb Richat begrüßt uns ein Scheich als Chef des dortigen Urlauber-Zeltcamps. Nicht nur Mahlzeiten und Getränke erquicken ab sofort den vorüberziehenden Gast, nein, auch feines Kunsthandwerk kann er erstehen. Was wohl Mohamed Fadel selig dazu gesagt hätte?